1891
Trutznachtigall
Mein Lied ist kurz, mein Lied ist knapp,
Ich reite keinen Hundetrab.
Mit scharfen Sporen flott ans Ziel,
Das ist der neue Dichterstil.
Nicht athemlos, nur Schneid im Takt,
Das packt.
Das liebt der Menschheit tapfrer Geist,
Was vorwärts wogt, was vorwärts reißt.
Die Weltwehchwalbe klagt so müd,
Weltwonnenachtigall erglüht.
Schwillt Lebensliebe breit die Brust,
O Lust!
Wo jähes Elend Lust zerstört,
Schmettr' ich und schluchz' ich qualempört,
Wo feige Dummheit Freude knickt,
Flöt' ich mein Wecklied spottgespickt.
Der Schönheit rollt mein Klang zu Schutz
Und Trutz.
Wo Einer wund von Kampf und Pein,
Trostnachtigall, da tröste fein!
Frisch wie der Thau gen Morgen quillt,
O spende Balsam rein und mild!
Wirf Perlen in der Menschheit Schooß,
Schlag los!
1898
Trutznachtigall
Mein Lied das rollt wie Sonnengold,
Dem Purpurstrom des Daseins hold.
Wenn violett erblüht die Nacht,
Flöt' ich zur weiten Sternenwacht.
Gedämpften Echos meld' ich Streit
Und Menschenleid.
Wo scharfes Elend Lust zerstört,
Schmettr' ich und schluchz' ich qualempört.
Weh, wenn mein Auge Noth erblickt!
Ich schlage, daß der Busch erschrickt.
Der Schönheit schwillt mein Klang zu Schutz,
Zu Schutz und Trutz.
Wo einer wund von Kampf und Pein,
Trostnachtigall, da tröste fein!
Frisch wie der Tau gen Morgen quillt,
Gib Kraft und Wohllaut stark und mild!
Wirf Wonnen in der Lauscher Schoß,
Schlag schmelzend los!
1921
Trutznachtigall
Mein Lied, das rollt wie Sonnengold,
Dem Purpurstrom des Daseins hold.
Wenn violett erblüht die Nacht,
Flöt' ich zur weiten Sternenwacht.
Gedämpften Echos meld' ich Streit
Und Menschenleid.
Wo scharfes Elend Lust zerstört,
Schmettr' ich und schluchz' ich qualempört.
Weh, wenn mein Auge Not erblickt!
Ich schlage, daß der Busch erschrickt.
Der Schönheit schwillt mein Klang zu Schutz,
Zu Schutz und Trutz.
Wo einer wund von Kampf und Pein,
Trostnachtigall, da tröste fein!
Frisch wie der Tau gen Morgen quillt,
Gib Kraft und Wohllaut stark und mild!
Wirf Wonnen in der Lauscher Schoß,
Schlag schmelzend los!
Trutznachtigall, Stuttgart 1891, S. 5-6. Online
Gedichte, Zürich und Leipzig 1898. Online
Ausgewählte Gedichte, J. Michael Müller Verlag, München 1920.
Gesammelte Werke. Band 2: Buch des Kampfes, München 1921, S. 134-135.