1893
Heines' Denkmal in Düsseldorf 1893
In Düsseldorf am Rheine ward
Ein deutscher Dichter geboren
Der mit des Geistes Hellebard
Den Spießern saust' um die Ohren.
Der war die Flamme, der war das Schwert,
Für eulenaugige Drachen,
Der hat die Saurier Mores gelehrt
Mit seinem erleuchteten Lachen.
Zu seinen Häupten um Mitternacht
Hört er es schwingen und rauschen,
Und ein Lied, ein Lied ist ihm aufgewacht,
Dem die Freîen, Lebendigen lauschen.
Ein Lied so damaszenerscharf,
So silberglockenklangvoll,
Ein Lied, das brennende Blitze warf,
Dunstschneidend, neuzeitrangvoll [sic!].
Die süßen Lieder rühm' ich nicht,
Die durch die Herzen ziehen,
Draus unsres Volkes Seele spricht,
Die Lurleimelodien...
Ich rühme den Düsseldorfer Rath,
Den frommen und den reichen,
Vor dessen sonniger Ruhmesthat
Die Sterne Heine's erbleichen.
Ich rühme den Rath von Düsseldorf,
Ich will ihn nicht beleidigen
Und gegen seinen moralischen Schorf
Die Schönheit Heine's vertheidigen.
So Mancher hat vor der Stirn ein Brett
Und kann doch nichts dawider;
Nicht jeder liebt wie Elisabeth,
Die Kaiserin, blitzende Lieder.
Ein Fürstendenkmal hat jeder lieb
Im Düsseldorfer Senat wohl,
Was ein Düsseldorfer Jude schrieb,
Genirt den christlichen Staat wohl.
Der Stumpfsinn kann den Geist nicht verdau'n
Zu Düsseldorf am Rheine,
Er wird sich selber ein Denkmal erbau'n
Anstatt dem Heinrich Heine.
Zürich, 1. Februar 1893
1921
Heinedenkmal in Düsseldorf
In Düsseldorf am Rheine ward
Ein deutscher Dichter geboren
Der mit des Geistes Hellebard
Den Spießern saust' um die Ohren.
Der war die Flamme, der war das Schwert,
Für eulenäugige Drachen,
Der hat die Saurier Mores gelehrt
Mit seinem erleuchteten Lachen.
Zu seinen Häupten um Mitternacht
Hört' er es schwingen und rauschen,
Und ein Lied, ein Lied ist ihm aufgewacht,
Dem die Freîen, Lebendigen lauschen.
Ein Lied so damaszenerscharf,
So silberglockenklangvoll,
Ein Lied, das brennende Blitze warf,
Dunstschneidend, neuzeitdrangvoll.
Die süßen Lieder rühm ich nicht,
Die durch die Herzen ziehen,
Draus unsres Volkes Seele spricht,
Die Lurleimelodien...
Ich rühme den Düsseldorfer Rat,
Den frommen und den reichen,
Vor dessen sonniger Ruhmestat
Die Sterne Heines erbleichen.
Ich rühme den Rat von Düsseldorf,
Ich will ihn nicht beleidigen
Und gegen seinen moralischen Schorf
Die Schönheit Heines verteidigen.
So mancher hat vor der Stirn ein Brett
Und kann doch nichts dawider,
Nicht jeder liebt wie Elisabeth,
Die Kaiserin, blitzende Lieder.
Ein Kaiserdenkmal hat jeder lieb
Im Düsseldorfer Senat wohl,
Was ein Düsseldorfer Jude schrieb,
Geniert den christlichen Staat wohl.
Der Stumpfsinn kann den Geist nicht verdaun
Zu Düsseldorf am Rheine,
Er wird sich selber ein Denkmal baun
Anstatt dem Heinrich Heine.
Montags-Revue aus Böhmen (Prag), 15. Jahrg., 6. Februar 1893, Nr. 6, S. 3. Online
Gesammelte Werke. Vierter Band: Buch der Kunst, München 1921, S. 53-54.
1890
Deutsches Lied
(Meinem lieben hannoverschen Landsmann Karl Schulenburg in Detroit, Amerika, gewidmet.)
Ich bin ein Wand'rer in der Weite
Von Land zu Land, von Haus zu Haus,
Ich bin der Freiheit hold und breite
Von Meer zu Meer die Flügel aus.
Zur Seite zieht mir heimattraut
Das deutsche Lied, der deutsche Laut.
Ich bin der Wahrheit meiner Ahnen,
Dem kühnen Sinne sonder Reu,
Ich bin dem Geiste der Germanen,
Dem grenzenlosen Deutschland treu.
Des Unrechts Haß, des Rechtes Wohl
Das ist mein Paß von Pol zu Pol.
Ich bin vom Gangastrom gestiegen
Zur Weser und zum grünen Rhein,
Der Brüder Elend zu besiegen,
Soll meines Lebens Losung sein,
Tod aller Noth und Tyrannei
Mein Aufgebot und Feldgeschrei.
Im Völkerhain möcht' ich als Buche
Voll Frühlingslaub der Liebe stehn,
Daß Kraft in meinem Schatten suche
Die müde Welt zum Weitergeh'n.
Die Drossel singt so süß vom Baum,
Die Quelle klingt und grüßt im Traum.
Stolz schreitet Schiller lichtumflossen,
Mild lagert Goethe leuchtend jung,
Auf Veilchen lächelnd hingegossen
Lauscht Heine, wie die Amsel sung.
Sie singt so hell in's tiefe Thal:
Es springt ein Quell für alle Qual.
1921
Deutsches Lied
Ich bin ein Wandrer in der Weite
Von Land zu Land, von Haus zu Haus,
Ich bin der Freiheit hold und breite
Von Meer zu Meer die Flügel aus.
Zur Seite zieht mir heimattraut
Das deutsche Lied, der deutsche Laut.
Ich bin dem Wesen meiner Ahnen,
Dem kühnen Sinne sonder Reu,
Ich bin dem Geiste der Germanen,
Dem Kampfe für die Wahrheit treu.
Des Unrechts Haß, des Rechtes Wohl
Das ist mein Paß von Pol zu Pol.
Ich bin vom Gangastrom gestiegen
Zur Weser und zum grünen Rhein,
Der Brüder Elend zu besiegen,
Soll meines Lebens Losung sein,
Tod aller Not und Tyrannei
Mein Aufgebot und Feldgeschrei.
Im Völkerhain will ich als Buche
Voll Frühlingslaub der Liebe stehn,
Daß Kraft in meinem Schatten suche
Die müde Welt zum Weitergehn.
Die Drossel singt so süß vom Baum,
Die Quelle klingt und grüßt im Traum.
Das Herz der Erde zu belauschen,
Bett' ich mein Haupt auf weiter Flur,
Das ist ein Rieseln und ein Rauschen,
Mein Ohr hört frohe Märe nur.
Sie tönt so hell von Berg zu Tal:
Es springt ein Quell für alle Qual.
Diorama, Zürich 1890, S. 261-262. Online
Gesammelte Werke. Zweiter Band: Buch des Kampfes, München 1921, S. 79-80.